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Für Klimaforschung: Forscher programmieren virtuelle Landwirte [24.03.14]
Computer-Modell der Universität Hohenheim: Selbst Praktiker können Entscheidungen von Mensch und Maschine nicht unterscheiden
Agrarökonomen der Universität Hohenheim haben für ein Computermodell virtuelle Landwirte programmiert, die wie erfahrene Praktiker Anbau- und Produktionsentscheidungen treffen. Mit Erfolg: Das Computermodell trifft so täuschend echte Entscheidungen, dass auch 27 praktische Landwirte Mensch und Maschine nicht auseinanderhalten können. Mit den virtuellen Landwirten wollen die Forscher in Computersimulationen zur Anpassung an den Klimawandel den Faktor Mensch besser berücksichtigen. Das Ziel der Forscher sind möglichst genaue Prognosen und Analysen zum Klimawandel in Baden-Württemberg.Computermodelle, die die Anpassung an den Klimawandel sowohl von Pflanzen als auch von Menschen simulieren, sind ein Novum. Bislang wurden sie von Natur-wissenschaftlern programmiert und die ließen vor allem biophysikalische Prozesse in ihre Zukunftsprognosen einfließen.
„Die bisherigen Modelle berücksichtigen nur unzureichend, dass Landwirte andere Pflanzen anbauen, wenn sich das Klima ändert. Und die geänderte Landnutzung kann sich wiederum auf das regionale Klima auswirken“, erklärt Prof. Dr. Thomas Berger, Leiter des Fachgebiets Ökonomik der Landnutzung in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim. Es sei ein großer Unterschied, ob die Sonne großflächig auf sattgrüne Weiden, gold-gelben Weizen, bräunliche Hirse oder abgeerntete Maisstoppeln scheint.
„Je nach Farbe reflektieren die Pflanzen mehr oder weniger Licht, und je nach Sorte verdunsten sie mehr oder weniger Wasser. Das alles wirkt sich auf die Wolken-bildung und damit auch auf die Niederschlagsverteilung aus“, so das Mitglied der Forschergruppe Regionaler Klimawandel.
Daten von 3.700 Betrieben sind in das Modell eingeflossen
Doch anders als bei Wolken, Regen und Pflanzen lässt sich das menschliche Verhalten wesentlich schwieriger beobachten und in ein Computermodell einbauen. „Wir können ja Landwirte nicht wochenlang in Klimakammern setzen, sie unterschiedlichen Klimabedingungen aussetzen und dann messen, wie sie sich anpassen“, erklärt Prof. Berger.
Um zu untersuchen, wie Landwirte auf den Klimawandel reagieren, hat der Agrarökonom deshalb mit seinen Mitarbeitern anonymisierte Daten von 3.700 landwirtschaftlichen Betrieben aus Baden-Württemberg aufbereitet und damit sein Computermodell gefüttert. In dem Multi-Agentensystem, so die Fachbezeichnung für diese neue Generation von Simulationsmodellen, tummeln sich nun eine Vielzahl von virtuellen Landwirten, die in Computerexperimenten ebenso wie ihre echten Berufskollegen Entscheidungen über Produktion und Landnutzung treffen müssen.
Bei einem sogenannten Turing-Test legten die Forscher 27 Landwirten Kennzahlen von vier landwirtschaftlichen Betrieben aus einer Betriebsbefragung vor. „Zu jedem Betrieb gab es sechs mögliche Anbaupläne für das kommende Jahr. Nur einer stammte jeweils von einem praktischen Landwirt. Die anderen fünf hat unser Computermodell errechnet“, erklärt der Agrarökonom, der die virtuellen Landwirte programmiert hat. Bei keinem der vier Betriebe fanden mehr als zwei Tester heraus, welche der Anbaupläne tatsächlich menschengemacht waren.
Hintergrund: Forschergruppe Regionaler Klimawandel
Die 27 Landwirte, die an dem Turing-Test teilgenommen haben, kommen aus den Untersuchungsregionen Kraichgau und Schwäbische Alb, für die Prof. Berger seine virtuellen Landwirte entwickelt hat. Dort haben auch der Biogeophysiker Prof. Dr. Thilo Streck, der Meteorologe Prof. Dr. Volker Wulfmeyer mit weiteren Agrarwissen¬schaftlern aus Hohenheim Messstationen und Versuchsfelder angelegt.
Zusammen mit Prof. Berger bilden sie die Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ (FOR 1695). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, neue Computermodelle zu entwickeln, die weltweit einsetzbar sind und dennoch lokal angepasst konkrete Handlungsoptionen ermitteln können. Denn der Klimawandel erfordert exakte Prognosen und Analysen für die Landwirtschaft in Deutschland und in besonders betroffenen Ländern wie Ghana und Äthiopien, in denen das Computermodell von Prof. Berger ebenfalls eingesetzt wird. Die Forschergruppe ist ein interdisziplinärer Verbund von 11 Wissenschaftlern an der Universität Hohenheim, dem Helmholtz-Zentrum München und der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt für drei Jahre mit insgesamt 3,1 Mio. Euro.
Text: Hannes Weik / Florian Klebs
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Thomas Berger, Universität Hohenheim, Fachgebiet Ökonomik der Landnutzung in den Tropen und Subtropen, Tel.: 0711/459-24116, E-Mail: i490d@uni-hohenheim.de