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Wasserknappheit & Ackerland im Ausverkauf: „Weltweit mehr Transparenz wäre schon ein Fortschritt“  [27.09.12]

Ergebnisse der Pressekonferenz an der Universität Hohenheim: Agrarforscher zeigen sich besorgt über Land Grabbing und Verknappung von Wasser / Öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema Spekulation am Freitag, 28.09.12 ab 11:00 Uhr

Rund 18 Mio. Hektar Land wurden seit 2005 allein in Afrika von ausländischen Investoren gepachtet, häufig zu Dumping-Preisen. Bodenrechtreformen zugunsten von Kleinbauern könnten eine Lösung bringen – doch mehr Transparenz wäre schon ein großer Fortschritt, so das Fazit von internationalen Experten auf der 52. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus e.V. (GEWISOLA) an der Universität Hohenheim. Ebenso problematisch: die zunehmende Wasserknappheit. Weltweit sei inzwischen die Hälfte des nutzbaren Ackerlandes bedroht. Die Tagung endet am morgigen Freitag mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Trägt Spekulation zu Preisschwankungen von Nahrungsmitteln bei und brauchen wir mehr Regulierung?“ (28. Sept. 2012, 11:00 bis 13:00 Uhr, Universität Hohenheim, Euroforum. Mehr Infos unter www.gewisola2012.uni-hohenheim.de)

Bewirtschaftete Felder, Bild: Joachim E. Roettgers

Wasser ist wertvoll. Doch das blaue Gold ist günstig zu haben. Eine Situation mit fatalen Auswirkungen, attestiert Dr. Mark Rosegrant, Direktor der Abteilung Umwelt und Produktionstechnologie am International Food Policy Research Institute (IFPRI), Washington D.C. / USA.

Nach seiner Schätzung ist inzwischen weltweit knapp die Hälfte der Ackerflächen von Wasserknappheit bedroht. Neben dem Klimawandel seien dafür in erster Linie Verschwendung und Verschmutzung verantwortlich.

In den kommenden Jahren dürfte sich das Problem noch verschärfen. 2010 lebten 2,5 Milliarden Menschen in Regionen mit Wassermangel. 2050 könnten es bereits 4,7 Milliarden sein. „Der Wassermangel wird sich auch in Menge und Qualität der verfügbaren Lebensmittel niederschlagen“, sagt Dr. Rosegrant. „Die Zuwachsraten in der Lebensmittelproduktion werden abnehmen und die Preise steigen.“

„Es gibt heute hoch effiziente Bewässerungssysteme wie die Tröpfchenbewässerung, die auch vergleichsweise kostengünstig sind. Doch solange Wasser weltweit quasi kostenlos zur Verfügung steht, fehlt Landwirten die Motivation solche Techniken flächendeckend einzusetzen“, so Dr. Rosegrant. Notwendig sei ein funktionierender Markt für Wasser. „Die knappe Ressource muss einen Preis haben, der Anreize gibt in sparsame Bewässerungspraxis zu investieren.“

Weitere Maßnahmen sind neue Pflanzensorten, die mehr Trockenheit vertragen und verbesserte sparsame Bewässerungstechnologien wie Mikro-Sprinkler und Tropfenbewässerung.

 

Steigende Nahrungspreise machen Land zum Spekulationsobjekt

Doch nicht nur die Verknappung von Wasser, auch die Verknappung von Land droht weiter zu eskalieren. Besonders besorgt zeigen sich die Agrarforscher über das Phänomen des „Land Grabbing“.

„Jahrzehntelang machten fallende Nahrungsmittelpreise Ackerland als Investitionsobjekt unattraktiv“, erklärt Prof. Dr. Harald Grethe, Leiter des Fachgebiets Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim. „Doch spätestens seit der Nahrungspreiskrise 2007/2008 hat sich die Situation radikal geändert. Neben dem Bevölkerungswachstum, steigenden Einkommen und zunehmender Ressourcenknappheit ist dafür die zunehmende Flächenkonkurrenz durch Bio-Energieplanzen verantwortlich.“

Ebenfalls eine Auswirkung habe der weltweit wachsende Appetit auf Fleisch, der einen erhöhten Flächen- und Wasserbedarf für Futtermittel nach sich ziehe. „Die politische Förderung von ackerpflanzenbasierten Biokraftstoffen sollte daher abgebaut werden. Auch ein geringerer Konsum tierischer Produkte in Industrieländern und eine Verringerung von Lebensmittelabfällen könnten die Situation entschärfen.“

 

Unklare Besitzverhältnisse und minimale Pachtpreise erlauben hohe Gewinne

Die Konsequenz: Allein in Afrika seien seit 2005 rund 18 Millionen Hektar an große und oft ausländische Investoren übergegangen, schätzt Dr. Derek Byerlee, unabhängiger Wissenschaftler und ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank, Washington D.C./USA.

Nicht selten seien die Vor- und Nachteile des Landhandels sehr ungleich verteilt: „Ein gängiger Pachtpreis ist um die 10 Euro im Jahr für jeden Hektar – der Gewinn, den dann die Ernte bringt, liegt z.B. bei Ölpalmen bei etwa 1.000 Euro im Jahr pro Hektar.“

Das Hauptproblem seien unklare Besitzverhältnisse. „Die Kauf- oder Pachtverhandlungen laufen deshalb oft auf Regierungsebene ab, während die Kleinbauern auf dem Land meist gar nicht beteiligt sind“, so Dr. Byerlee.

 

Regierungen und lokale Bevölkerung nehmen Land Grabbing nicht als Problem wahr

Verschärft werde das Problem durch Korruption und die Hoffnung, durch fremde Investoren einen Modernisierungsschub auszulösen, berichtet Prof. Dr. Regina Birner, Leiterin des Fachgebiets „Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung“ an der Universität Hohenheim.

„Die Lokalbevölkerung profitiert allerdings in vielen Fällen wenig von den modernen Großbetrieben in ausländischer Hand. Meist sinken weder die Lebensmittelpreise noch gibt es neue Arbeitsplätze. Manchmal wird das Land nicht einmal bewirtschaftet sondern nur als reines Spekulationsobjekt verwendet“, so Prof. Dr. Birner.

Weil in den betroffenen Ländern kaum Transparenz über Ausmaß und Pachtbedingungen herrsche, würden ausländische Investoren in der Regel jedoch überhaupt nicht erst als Problem wahrgenommen, ergänzt die Agrarforscherin.

 

Günstige Methoden zur Landregistrierung können bei Bodenreformen helfen

„Effektiv gegen das Problem vorgehen könnten afrikanische Regierungen vor allem über Bodenrechtreformen zugunsten von Kleinbauern“, so Prof. Dr. Birner. „Doch selbst die Länder, die dazu bereit sind, stehen vor ganz praktischen Problemen. Die Behörden können den Landbesitz nicht regeln, weil es sehr teuer wäre das gesamte Land mit herkömmlichen Methoden zu vermessen.“

Luftbilder könnten hier vergleichsweise schnell und günstig Abhilfe schaffen. Auch die Dorfbevölkerung sollte bei der Registrierung ihres Landes eingebunden werden. „Einer unserer Doktoranden führt aktuell Forschung zu einem solchen Pilotprojekt in Nigeria durch“, zitiert Prof. Dr. Birner eines ihrer Praxisbeispiele. Vorbild für das Projekt seien erfolgreiche Parallelfälle in Äthiopien und Ruanda.“

 

Hintergrund GEWISOLA

Die 1959 gegründete Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus verfolgt die Ziele Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus zu fördern und den Austausch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrung zu pflegen.

Der Gesellschaft gehören rund 400 Mitglieder an. Diese sind vor allem in der Wissenschaft an Universitäten und Forschungsinstituten, in Verwaltung, agrarwissenschaftlichen Unternehmen sowie in Beratung und Praxis als Agrarökonomen und Agrarsoziologen tätig. Die Gesellschaft veranstaltet alljährlich Ende September/Anfang Oktober eine wissenschaftliche Fachtagung.

Die diesjährige Tagung zum Thema „Herausforderungen des globalen Wandels für Agrarentwicklung und Welternährung“ wird von der Universität Hohenheim ausgerichtet.

Text: Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Regina Birner, Universität Hohenheim, Fachgebiet Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung
Tel.: 0711/459 23517, E-Mail: Regina.Birner@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Harald Grethe, Universität Hohenheim, Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik
Tel.: 0711/459 22631, E-Mail: grethe@uni-hohenheim.de


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