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Forschung verhilft zum Revival: Urgetreide „Emmer“ feiert Comeback auf der Südback-Messe [15.10.14]
500 Jahre lang war die uralte Getreideart fast vergessen. Jetzt hat es die Universität Hohenheim wieder salonfähig gemacht / Präsentationen im Trendforum der „Südback“, Messegelände Stuttgart am 18./19. Oktober 2014
Er gilt als der Methusalem unter den Getreidearten – und doch verzaubert sein Altherren-Charme gerade jugendliche, gesundheitsbewusste Verbraucher. Erstmals nimmt sich jetzt auch die Trendmesse „Südback“ des Urgetreides an: Im Trendforum präsentiert die Bäckerfachschule Stuttgart mehrmals täglich, was moderne Handwerkskunst aus dem geschichtsträchtigen Korn herausholen kann. Möglich wurde das Emmer-Revival dank Dr. Friedrich Longin von der Universität Hohenheim, der das vergessene Getreide aus seinem Dornröschenschlaf erweckte.Ein „einzigartiges Geschmackserlebnis“ mit „nussig-würziger Note“ und „eine einmalige Chance für das traditionelle Backhandwerk, um sich mit Spezialitäten zu behaupten“ – so schwärmt Andreas Kofler, Geschäftsführer vom Landesinnungsverband für das württembergische Bäckerhandwerk e.V.
Um mit Emmer zu backen, müssten Bäcker allerdings ein wenig umdenken. „Den Teig nicht kneten, sondern nur Mischen, Sauerteig verwenden und zusätzlich die Knettemperatur reduzieren“ sind drei der Tipps des Fachlehrers Joachim Burkart der Bäckerfachschule Stuttgart. Weitere gibt es von ihm am Wochenende des 18./19. Oktobers auf dem Trendforum der Südback-Messe.
Forschung holt Urkorn aus dem Dornröschenschlaf
Das besondere Geschmackserlebnis verdankt Fachlehrer Burkart einem Wissenschaftler: Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim.
Seit vier Jahren testet der Liebhaber alter Getreidearten den Emmer an sieben verschiedenen Standorten in einem großen Feldversuch. Zusammen mit Landwirten, Bäckern und Müllern vergleicht er Erträge (derzeit 42-55 Dezitonnen pro Hektar), Widerstandsfähigkeit (robust wie Dinkel) und Anbauvarianten (für konventionellen und Biolandbau geeignet).
Die neuesten Forschungsergebnisse kann er nun direkt im Vorfeld der Backmesse präsentieren: Zahlreiche Emmersorten wurden mit zwei Schnelltests überprüft, mit denen Müller und Bäcker routinemäßig die Qualität von Dinkel- oder Weizenkörnern einschätzen. Der Rohproteingehalt und der Sedimentationswert zeigen, wieviel Klebereiweiß das Korn enthält und wie gut dies stabile Teige ergibt. Beides ist für ein knuspriges Brot mit röscher Krume wichtig.
Anbaufläche wächst – und könnte Dinkel einholen
Aktuell gäbe es bereits rund 1.000 Hektar mit Emmer in Deutschland. In 10-15 Jahren könnte das Urkorn ebenso weit verbreitet sein, wie sein etwas jüngerer Verwandter, der Dinkel. Diesen findet man deutschlandweit bereits auf 100.000 Hektar. Was immer noch eine Nische wäre: die Ähren modernen Brotweizens wogen derzeit auf 3 Mio. Hektar Ackerfläche in Deutschland.
Dass das Urkorn so schnell wieder modern wird, verdankt es der Strategie Dr. Longins, der Landwirte und Verarbeiter von Anfang an seiner Forschung teilhaben ließ. So kann der Liebhaber alter Arten in ausgewählten Restaurants bereits Emmer-Spätzle mit einem würzig-dunklen Emmer-Bier herunterspülen.
Landwirte brauchen Sicherheit
Gleichzeitig ist ihm die explodierende Nachfrage aber auch ein wenig unheimlich. „In diesem Jahr kam es bereits zu ersten Emmer-Engpässen am Markt“, berichtet Dr. Longin.
Manch einem Unternehmen, das nun versucht auf einen Trend aufzuspringen, sei nicht klar, dass Emmer kein Getreide sei, das man ähnlich wie Weizen überall in der Welt kaufen kann.
„Wer ein Nischenprodukt wie Emmer haben will, muss langfristig planen: Was Müller und Bäcker heute verkaufen, haben die Landwirt 2014 geerntet und 2013 gesät“, erklärt Dr. Longin. Und diesen Landwirten müsse der Markt auch Sicherheit geben.
Gelungene Kooperation mit Mühlenbetrieb
Ein Unternehmen, das dies richtig mache, sei die SchapfenMühle in Ulm. Das Unternehmen gehört zu den größeren Mühlen. Im Dinkelbereich ist sie eine der größten.
Zur Südback 2014 bietet sie auch Backmischungen und Rezepte für Emmer-Brot und Weckle an. Den Emmer dazu lässt sie im Vertragsanbau produzieren, das heißt, sie garantiert den Landwirten bereits vor der Saat den Absatz.
„Emmer bietet sich vor allem in Kombination mit Dinkel an. Zusammen liefern die beiden Urgetreide ein Spektrum für eine Vielzahl von Gebäcksorten, auch auf Vollkornbasis“, sagt Karl Schmitz Geschäftsführer des Bäckergeschäfts der SchapfenMühle. Und schwärmt von einer „einzigartigen und sehr aromatischen Gebäckvielfalt von Brot bis Brötchen.“
Dabei experimentiert die SchapfenMühle auch mit der Kombination von altem Getreide und neuer Technologie: „Für eine Rezeptur haben wir die Emmerkörner auch mit Wasserdampf und Druck gepufft. So erhöht sich die Wasseraufnahmefähigkeit der Teige und das Gebäck bleibt auf natürlichem Wege länger frisch.“
Literatur & Live-Demonstrationen auf der Südback
Wer mehr wissen will, sollte sich die Vorführungen im Trendforum auf der Südback-Messe nicht entgehen lassen – oder ein Treffen mit Dr. Longin vereinbaren, der auf der Messe am 20.10.14 nachmittags für alle Interessierte Rede und Antwort steht - am Stand des Landesinnungsverbandes für das württembergische Bäckerhandwerk (Halle 1, Stand D71).
Vorführungen von 45 Minuten sind am
• Samstag, 18. Okt. um 12:45, 14:15 und 15:45 Uhr sowie am
• Sonntag, 19. Okt. um 12.30 und 15:30 Uhr
Zwei Kurzstudien zu den Feldversuchen und weiteren Forschungsergebnissen finden Sie unter www.uni-hohenheim.de/presse
Text: Klebs
Kontakt für Medien:
Dr. Friedrich Longin, Universität Hohenheim, Landessaatzuchtanstalt
Tel.: 0711/459-23846, E-Mail: Friedrich.Longin@uni-hohenheim.de