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Urgetreide & Backqualität: Bislang größter Dinkel-Test offenbart große Qualitätsunterschiede  [03.05.17]

Erstklassiger Dinkel ließe sich durch Zucht noch weiter verbessern: Forscher der Uni Hohenheim erarbeiten einfache und schnelle Tests für die Getreidebranche

Hoher Ertrag, Standfestigkeit und Resistenz gegen Krankheiten: Beim Anbau und der Züchtung von Dinkel haben diese Kriterien bislang Vorrang. Doch diese Prioritätensetzung missachtet die Anforderungen der Bäcker, so das Ergebnis des bislang größten Dinkeltests aller Zeiten mit 160 Dinkelsorten, dessen Auswertung die Universität Hohenheim in Stuttgart jetzt vorlegt. Denn dadurch halten sich bislang auch Sorten mit schlechter Backqualität im Markt. Doch die Ergebnisse zeigen auch, dass Neuzüchtungen möglich sind, die erstklassige Anbau- und Backeigenschaften vereinigen. Im Rahmen des Dinkelversuchs entwickelten die Forscher auch mehrere Schnelltests, mit denen Müller, Bäcker und Nudelproduzenten die Backqualität schon beim Dinkeleinkauf beurteilen können.

Dinkel: Das Urgetreide im Test. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Dorothee Barsch


Zwischen 150 verschiedenen Weizensorten kann der deutsche Landwirt jedes Jahr zur Aussaat auswählen, aber nur knapp ein Zehntel so viele Dinkelsorten stehen zur Verfügung. Trotz der kleinen Anzahl schwanken die Backeigenschaften aber sehr stark zwischen diesen Sorten.

„Das ist auch logisch“, findet Getreideforscher PD Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt an der Universität Hohenheim: „Beim Dinkel gibt es genauso große Unterschiede in der Qualität wie beim Weizen - man hat sie aber bisher kaum beachtet. Man kann also noch viel Potenzial ausschöpfen.“

In einem groß angelegten Versuch hat er deshalb 160 Dinkelsorten getestet: Vom traditionsreichen Oberkulmer Rotkorn bis zur modernen Sorte Zollernspelz. Angebaut an drei verschiedenen Standorten in Baden-Württemberg, wurden aus den Dinkelsorten insgesamt 600 verschiedene Proben ins Backlabor geschickt und dort getestet – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.


Backeigenschaften reichen von sehr gut bis sehr schlecht

Das frappierendste Ergebnis: Was die Backqualität betrifft, klaffen die Eigenschaften von Dinkel weit auseinander: „Von sehr schlechten bis sehr guten Backeigenschaften war alles dabei – und zwar bei alten Traditionssorten ebenso wie bei modernen Züchtungen“ , fasst Dr. Longin die Versuchsergebnisse zusammen.

Bisher lagen zu den meisten Dinkelsorten lediglich Erkenntnisse zu Ertrag und Krankheitsresistenz vor. Doch dank der Erkenntnisse des Tests sind nun auch noch die Backqualitäten der einzelnen Sorten bekannt. Somit ließen sich die positiven Backeigenschaften gezielt mit den positiven Anbaueigenschaften kombinieren – für bessere Backeigenschaften bei gleichbleibend hohem Ertrag und weniger Anbaurisiko. Hier hofft Dr. Longin auf den Einsatz der Züchter.


Backeigenschaften sollten bei Sortenzulassung getestet werden


Den Grund dafür, dass manche Dinkelsorten trotz schlechter Backeigenschaften immer noch angebaut werden, vermutet der Getreide-Experte in der Produktionskette: Sie beginnt beim Landwirt, der bei der Auswahl der angebauten Sorte andere Eigenschaften im Blick hat wie Müller und Bäcker.

Dr. Longin hingegen findet: „Gerade die Backeigenschaften der Sorten müssen früher bewertet werden. Sorten, die hier extrem schlecht abschneiden, sollten gar nicht erst auf den Markt kommen.“

Idealerweise werden diese Backeigenschaften bei der sogenannten Sortenzulassung beim Bundessortenamt mit den Anbau-Eigenschaften mitgetestet und bei erfolgreicher Sortenzulassung dann auch dem gesamten Markt berichtet. „Somit wüsste die gesamte Branche Bescheid, welche Sorten sich für welche Art von Produkten eignen, ohne dass jedes Glied in der Produktionskette sich diese Kenntnis selber und teuer erarbeiten muss“, so Dr. Longin.


Umfassende Ergebnisse und einfach anzuwendende Tests

Mit zwei Ansätzen will der Versuch helfen, Züchtern und Landwirten ebenso wie Müllern und Bäckern mehr Information über die Backeigenschaften zu liefern. Zum einen wären da die Versuchsergebnisse zu den 160 Dinkelsorten. „Zum ersten Mal haben wir für eine so große Zahl an Sorten umfassende Ergebnisse zu Ertrag, Standfestigkeit und Gesundheit ebenso wie zu den Backeigenschaften,“ betont Dr. Longin die Bedeutung des Versuchs.

Zum anderen erlauben es einige der im Versuch angewendeten Tests, Qualität und Backeigenschaften an jedem Punkt der Produktionskette zu testen. „Unser Versuch basiert auf einer Reihe von Tests. Einige davon sagen bei geringem Aufwand bereits viel über die Backqualität einer Sorte aus. Ich kann nur jedem Züchter, Müller und Bäcker empfehlen, diese Tests selbst anzuwenden.“

Besonders zu zwei Tests möchte er alle an der Produktionskette Beteiligten ermutigen: Zum einen wäre ein sogenanntes Extensogramm geeignet, bei dem die Dehnbarkeit des Teiges maschinell geprüft wird. Als etwas schnellere Methode, die bereits an nur wenigen Gramm Mehl funktioniert, reiche aber auch eine Prüfung der Proteinqualität mittels Sedimentationswert.


Größter Dinkelversuch aller Zeiten an drei Standorten


Knapp 2 Jahre hat es gedauert, die 160 Dinkelsorten anzubauen, zu ernten und daraus 600 Proben zum Test in ein Backlabor zu schicken. Aus Lizenzmitteln der Dinkelzüchtung hat die Universität Hohenheim dafür 100.000 Euro in die Hand genommen. Die Firmen Südwestsaat Rastatt und Pflanzenzüchtung Oberlimburg haben das Projekt unterstützt und die Sorten auf ihren Flächen angebaut.

Somit konnten Proben aus Flächen in Rastatt, Schwäbisch Hall und von den Versuchsflächen der Universität Hohenheim auf dem Ihinger Hof im Kreis Böblingen untersucht werden. Dabei zeigten sich Unterschiede zwischen Proben von den verschiedenen Standorten, aber, so Dr. Longin: „Eine Sorte mit guten Backeigenschaften an einem Standort ist in dieser Hinsicht auch an einem anderen Standort nicht deutlich schlechter.“

Dinkel-Backtest: Ergebnisse

Text: Barsch / Klebs

Kontakt für Medien:

PD Dr. Friedrich Longin, Universität Hohenheim, Leiter Weizenzüchtung und -forschung der Landessaatzuchtanstalt Hohenheim
T 0711 459-23846, E friedrich.longin@uni-hohenheim.de


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