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Traditionelle Lebensmittel: Neues EU-Projekt macht lokale Produzenten fit für europäischen Markt  [17.06.14]

Lokalen Herstellern traditioneller Lebensmittel fehlt oft das Know-how, um sich auf EU-Märkten zu behaupten. Ein Projekt der Universität Hohenheim bringt Hilfe.

Getrocknete Steinpilze, Trockenfrüchte, Teigwaren aus traditionellem Hartweizengries oder geräucherter Fisch sind Beispiele für traditionelle Lebensmittel aus der EU, die gut schmecken, gesund sind und meist von kleinen, regionalen Produzenten nach traditionellen Verfahren hergestellt werden. Preisdruck, neue EU-Vorschriften, wie Hygiene-Standards und Zertifizierungen, erschweren ihnen den Zugang zum europäischen Markt. Ein neues, europaweites Projekt (TRAFOON - Traditional Food Network to Improve the Transfer of Knowledge and Innovation) unter der Federführung der Universität Hohenheim unterstützt sie mit Know-how von Lebensmittelexperten. Das Life Science Center koordiniert das Projekt, an dem insgesamt 30 Partner aus 13 europäischen Ländern beteiligt sind. Die EU fördert das Projekt mit 4 Millionen Euro. Davon entfallen 410 000 Euro auf die Universität Hohenheim und machen das Projekt zu einem der Schwergewichte der Forschung.

TRAFOON

In einer großen Halle stehen die Trocknungsanlagen des Instituts für Agrartechnik der Universität Hohenheim. Dort trocknet Dimitrios Argyropoulos vom Institut für Agrartechnik traditionelle Lebensmittel wie Pilze, Gemüse, Gewürzpflanzen und Früchte. Sein Forschungsziel am Lehrstuhl von Prof. Dr. Joachim Müller: optimale Trocknungsbedingungen und –methoden.

Seinen Erfolg kann er durch chemische Analysen bestimmen: Pilze zum Beispiel sind sehr kalorienarm und enthalten Kalzium, Magnesium und Selen. Daneben beinhalten sie Vitamine, vor allem solche aus der B-Gruppe und Vitamin D. „Entscheidend für eine gute, gesunde Qualität der Pilze ist ihr Anteil an so genannten „Beta-Glucanen“ – einer bestimmten Art von Polysacchariden (Vielfachzucker, Anmerkung Red.)“, erläutert Argyropoulos.

 

Forschung für den guten Geschmack

Wie hoch der Anteil der Nährwerte des getrockneten Lebensmittels ist, hängt entscheidend von der Trocknungsmethode ab. Neben den chemischen Inhaltsstoffen sind auch eine bestimmte Farbe und Festigkeit sowie ein guter Geschmack ausschlaggebend für eine gute Qualität.

Im Rahmen des Projekts TRAFOON wird Argyropoulos sein Wissen in Weiterbildungsworkshops an kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) in Europa weitergeben. Ebenso auf der Agenda steht die Weiterentwicklung traditioneller Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren weiterer Lebensmittel, beispielsweise von Backwaren aus Dinkel, Hartweizen oder Hafer.

„Traditionelle Lebensmittel basieren auf traditionellen Rohstoffen, wie etwa Dinkel und Hafer bei Getreideprodukten, Früchten und Oliven, oder auch traditionellen Fischarten, die im Laufe der Industrialisierung immer mehr vergessen wurden“, erläutert Susanne Braun, die Geschäftsführerin des Life Science Centers. Ebenso ist das Wissen um die Verarbeitung dieser wertvollen Rohstoffe oft in Vergessenheit geraten. Das soll sich mit Hilfe des Projekts TRAFOON ändern.

 

Traditionelle Lebensmittel erhalten Biodiversität und die Diversität von Kulturlandschaften

Trocknungsanlage. Bild: Universität Hohenheim, Fg. 440e

Trocknungsanlage. Bild: Universität Hohenheim, Fg. 440e

Damit leistet das Projekt auch einen Dienst an der Gesellschaft. Denn die Produktion von traditionellen Lebensmitteln und deren Rohstoffe sind regional unterschiedlich und tragen zur Diversität von Kulturlandschaften bei.

Ein Beispiel: Die traditionelle Karpfenzucht beispielsweise wird überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen in natürlichen und naturnahen Teichen und Seen durchgeführt. Die so entstandene Teichkulturlandschaft schafft wichtige Lebensräume für Pflanzen, Vögel oder Amphibien. Damit erfüllt sie eine wichtige Funktion in der Erhaltung der Biodiversität und schützt den Fortbestand ökologischer Nischen.

Doch Konkurrenz durch alternative Meeresfrüchte und sich ändernde Kundenpräferenzen gefährden diese traditionellen Teichkulturen. Um sie zu unterstützen, sollte das Know-how der Kleinunternehmer und Mittelständler in Themen wie Vermarktung, Zertifizierung, Verarbeitung, Prävention von Krankheiten, Zucht und Fütterung gestärkt werden.

 

Neue EU-Richtlinien zur Lebensmittelsicherheit

Handlungsbedarf ergibt sich auch aus Änderungen auf EU-Ebene. In der EU gibt es neue Gesetze – wie etwa neue Richtlinien zur Lebensmittelsicherheit oder neue Kennzeichnungs- und Zertifizierungsvorschriften. Möchte ein Unternehmen über den lokalen und regionalen Rahmen hinaus verkaufen und seine Produkte auch in anderen Ländern anbieten, ist es unerlässlich über alle Anforderungen informiert zu sein.

„Damit sie auch in Zukunft im europäischen Wettbewerb bestehen können, wollen wir die traditionellen Hersteller im ersten Schritt befragen um bestehende Probleme oder zukünftige Vorhaben kennenzulernen. Mit diesem Wissen bieten wir ihnen dann maßgeschneiderte Schulungsmaßnahmen an“, sagt Frau Braun.

 

Vier Millionen Euro bis 2016

Bandtrockner. Bild: Universität Hohenheim, Fg. 440e

Bandtrockner. Bild: Universität Hohenheim, Fg. 440e

Themen der Schulungen könnten beispielsweise folgende Fragen sein: Wie beantrage ich eine bestimmte Zertifizierung? Wo bekomme ich das beste Saatgut? Wie bekämpfe ich Viren bei Fischen? Oder: Wie optimiere ich meine Reinigung und Desinfizierung? Ebenso stehen auch Schulungen zu Vermarktungsstrategien und rechtlichen Fragen auf dem Programm.

Vier Millionen Euro stellt die EU für das Projekt bereit, das bis Ende 2016 dauern soll. „Ziel von TRAFOON ist es, ein europaweites Netzwerk zu etablieren und den Technologie- und Wissenstransfer zu verbessern“, sagt Frau Braun. Auch die Kommunikationsbarrieren zwischen den KMUs und den Forschungseinrichtungen in ihren Ländern sollen abgebaut werden. „Wir wollen ganz nah an den Bedürfnissen der KMUs sein und eine möglichst barrierefreie Kommunikation mit der Forschung fördern“, so Frau Braun.

 

 

Hintergrund: Projekt TRAFOON

Das Projekt TRAFOON wird vom Life Science Center der Universität Hohenheim koordiniert. Zu den beteiligten Forschungseinrichtungen zählen namhafte europäische Akteure, wie zum Beispiel die Universität Wageningen, die Universität von Bologna, die Universität Cork, das Forschungsinstitut INRA, und die ISEKI-Food-Association. Zu den Partnern zählen neben den Forschungsinstitutionen auch der europäische Lebensmittelindustrieverband FoodDrinkEurope und die zivilgesellschaftliche Organisation SlowFood. Allen gemeinsam ist die Verbundenheit mit traditionellen Lebensmitteln in Europa.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Rund 32,8 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2013 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.

 

 

Text: A.Schmid

Kontakt für Medien:

Dipl. Ing./MBA Susanne Braun / Dipl. Biologe Johannes Pucher, Universität Hohenheim, Life Science Center
Tel.: 0711/459-24026, E-Mail: s.braun@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Joachim Müller / M.Sc. Dimitrios Argyropoulos, Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik, Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen
Tel.: 0711/459- 23464, E-Mail: dimitrios.argyropoulos@uni-hohenheim.de


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