Erstmals in Stuttgart: Feldbotanisches Wissen zertifizieren lassen [28.06.21]
10.7.2021: Prüfung zur Zertifizierung von Artenkenntnissen Südwestdeutschlands / Kooperation von Uni Hohenheim/KomBioTa und Umweltakademie Baden-Württemberg
Um dem Artensterben effektiv begegnen zu können, braucht es Menschen mit soliden Artenkenntnissen und einem Verständnis für ökologische Zusammenhänge. Für den beruflichen und ehrenamtlichen Einsatz sollten diese Kompetenzen durch einen transparenten und belastbaren Leistungsnachweis belegt werden. Deswegen bieten nun das Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa) und die Hohenheimer Gärten der Universität Hohenheim in Stuttgart gemeinsam mit der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg eine Zertifizierung von Kenntnissen der Feldbotanik Südwestdeutschlands an. Damit kann erstmals in der Region Stuttgart am 10. Juli 2021 das Zertifikat Feldbotanik „SW Anemone 200“ erworben werden. Alle Einzelheiten zu den Prüfungen sind hier nachzulesen: db.botanik.uni-hohenheim.de/feldbotanik
Gemeinsame PRESSEMITTEILUNG der UMWELTAKADEMIE BADEN-WÜRTTEMBERG und der UNIVERSITÄT HOHENHEIM
Ausgewiesene Kennerinnen und Kenner der heimischen Flora sind das A und O für den Erhalt der Artenvielfalt sowie eine erfolgreiche und nachhaltige Naturschutzarbeit. Sie werden in vielen Bereichen gebraucht, in denen Natur und Umwelt Gegenstand von Forschung, Bewertung, Planung und Schutz sind.
Ihr botanisches Fachwissen kommt in vielen nationalen, regionalen oder lokalen Forschungs- und Naturschutzprojekten bei der Konzeption, Durchführung und Evaluierung zum Einsatz. Dabei verfolgen die Fachleute unter anderem auch die Entwicklung der Artenzusammensetzung und die damit verbundenen ökologischen Zusammenhänge. Sie geben Empfehlungen für die Naturschutzpraxis und achten auf die Einhaltung von Umweltstandards und die Umsetzung von Gesetzesvorgaben.
Großer Bedarf an qualifizierten Artenkennerinnen und Artenkennern
„Ursprünglich war die Ausbildung von Artenkennerinnen und Artenkennern Bestandteil von Hochschulstudiengängen, sowohl für den wissenschaftlichen Nachwuchs und angehende Lehrkräfte wie auch für Beschäftigte in Behörden und Planungsbüros. Dies ist heute nicht mehr flächendeckend der Fall“, bedauert Prof. Dr. Johannes Steidle von der Universität Hohenheim und Vorstandsmitglied des Kompetenzzentrums Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa).
„Gleichzeitig besteht ein hoher außeruniversitärer Bedarf an Fachkräften mit Artenkenntnissen, vor allem vor dem Hintergrund des Artensterbens und dem einhergehenden Verlust von Ökosystemdienstleistungen, wie beispielweise die Blüten-Bestäubung durch Insekten“, erläutert er.
„Ein drohender Kompetenzverlust in Sachen Artenvielfalt zeichnet sich auch in Verwaltungen, Verbänden sowie vielerlei Berufsfeldern ab. Die Umweltakademie engagiert sich seit vielen Jahren mit Fortbildungen zur Förderung des Artenwissens. Aufbauend auf unseren bisherigen Erfahrungen, Erkenntnissen und Kooperationen werden wir unser Bildungsangebot noch mehr diversifizieren und im Sinne eines taxonomischen Fort- und Weiterbildungszentrums gezielt weiter ausbauen“, so Dr. Karin Blessing, stellvertretende Leiterin der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg.
„Schon jetzt bereitet uns die Wissenserosion große Sorge: Die Suche nach geeigneten Fachreferenten für unsere Fortbildungsseminare im Bereich Artenschutz gestaltet sich zunehmend schwierig. Wenn wir jetzt nicht handeln und Artenkennerinnen und Artenkenner nach einheitlichen Standards ausbilden, werden wir in ein paar Jahren kaum noch Personen finden, die ihr Fachwissen weitergeben können“, ergänzt Dr. Daniel Baumgärtner, von der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg.
Dreistufiges Zertifizierungssystem
Eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen und Behörden wie auch von Fachverbänden und Planungsbüros aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz möchte hier Abhilfe schaffen: Basierend auf positiven Erfahrungen aus der Schweiz will die Arbeitsgruppe Feldbotanik Südwestdeutschland gemeinsam mit der Umweltakademie Baden-Württemberg Motivation und Anreize für die Aus- und Weiterbildung von Artenkennerinnen und Artenkennern schaffen sowie Angebote an Hochschulen und im außeruniversitären Bereich unterstützen.
Grundlage ist ein modulares Zertifizierungssystem mit drei Zertifizierungsniveaus: SW 200 Anemone, SW 400 Berberis und SW 600 Corydalis. Für den Erhalt der Zertifikate müssen Kenntnisse von 200, 400 bzw. 600 Pflanzenarten sowie Kenntnisse zu Gattungen, Familien und der Artbestimmung nachgewiesen werden. Dazu nehmen dieses Jahr die Universitäten Freiburg, Tübingen, Hohenheim und Koblenz-Landau Prüfungen ab.
In Stuttgart kann am 10.7.2021 erstmals die SW 200 Anemone-Prüfung abgelegt werden. Sie wird von KomBioTa und den Hohenheimer Gärten in Kooperation mit der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg durchgeführt. Diese vergeben auch die Zertifikate. Mitglieder des Botanischen Arbeitskreis Stuttgart unterstützen die Prüfung.
Transparenter und belastbarer Leistungsnachweis in Südwestdeutschland
„Die Zertifikate haben für ganz Südwestdeutschland Aussagekraft und stellen einen transparenten und belastbaren Leistungsnachweis dar“, weiß Dr. Helmut Dalitz von den Hohenheimer Gärten und Mitglied der Arbeitsgruppe Feldbotanik Südwestdeutschland. Die Prüfungen sind öffentlich und können beliebig wiederholt werden. Sie sind nicht an den Besuch von Lehrveranstaltungen geknüpft. „Mit dem Erwerb eines Feldbotanik-Zertifikats weisen die Menschen ihr Fachwissen nach und positionieren sich für die Mitarbeit in nationalen, regionalen oder lokalen Umwelt-Projekten“, sagt Dr. Dalitz.
Ein Punkt ist ihm noch besonders wichtig: „Sollten die Menschen beim Üben der Pflanzenbestimmung auch Standorte besuchen wollen, für die ein Betretungsverbot oder sonst eine Einschränkung gilt, bitten wir darum, sich an diese Gebote und Verbote zu halten. Ziel der Zertifizierungsinitiative ist es, dazu anzuregen, Pflanzenarten kennen- und bestimmen zu lernen. Damit verbunden ist natürlich, dass wir ebenfalls dazu anregen wollen die Regeln für die Gebiete, in denen die Arten vorkommen, zu befolgen, damit gerade seltene Pflanzenarten dort weiterhin ihr Zuhause haben können.“
HINTERGRUND: Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa)
Das Artensterben und insbesondere der Rückgang der Insekten stellt eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Der Verlust an Vielfalt betrifft Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen, deren Fehlen die Funktion von Ökosystemen, und damit auch wichtige Serviceleistungen für den Menschen, gefährdet.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde KomBioTa im Jahr 2020 an der Universität Hohenheim und am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart aus Landesmitteln eingerichtet. Es bündelt zahlreiche Arbeitsgruppen an beiden Institutionen für gemeinsame Forschung und Lehre.
Text: Stuhlemmer