Rektorat benennt neue Strategie: Mehr Forschung und Bioökonomie als Querschnittsthema  [23.10.13]

Wissenschaftsministerium befürwortet Struktur- und Entwicklungsplan der Universität Hohenheim als Strategiepapier für die kommenden fünf Jahre

Mehr Gewicht für die Forschung, Experimentierfreude in der Lehre, verlässlichere Arbeitsbedingungen für den Mittelbau und das Thema Bioökonomie als universitätsweites Dachthema, unter dem sich viele Aktivitäten aus allen Fakultäten bündeln. Mit ihrem aktuellen Struktur- und Entwicklungsplan legte das noch amtsjunge Rektorat der Universität Hohenheim ein überzeugendes Strategiepapier für die Jahre 2013 bis 2017 vor: Im Senat und im Universitätsrat stellten sich Professoren, Mittelbau, Studierende, sonstige Beschäftigte und externe Fachleute einstimmig hinter das Papier. Auch das Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg stimmte dem Struktur- und Entwicklungsplan ohne Auflagen zu.

Übersicht der Bioökonomie in den drei Fakultäten der Universitäten Hohenheim.

„Bioökonomie“ – der etwas sperrige Begriff beschreibt eine Vision, die sich das Land Baden-Württemberg besonders auf die Fahnen geschrieben hat.

Dahinter verbirgt sich die Abkehr von unserer bisherigen Wirtschaftsweise, die vor allem auf Erdöl und anderen fossilen Rohstoffen beruht. Als Ziel definiert die Bioökonomie eine neue Wirtschaftsweise, die diese Rohstoffe soweit als möglich durch Materialien ersetzt, die durch lebende Organismen wie Pflanzen und Mikroorganismen produziert werden.

Gleichzeitig erhebt die Bioökonomie den Anspruch nachhaltig zu produzieren, Gesundheit und Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern und ein besonderes Augenmerk auf den Klimaschutz zu richten.

 

Bioökonomie ist große Chance für Baden-Württemberg

Mit Blick auf diese Vision attestiert der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Stephan Dabbert, der Landesregierung einen doppelten Verdienst: „Die Landesregierung hat erkannt, dass die Bioökonomie eine besondere Chance für einen innovationsfreudigen Standort wie Baden-Württemberg darstellt. Zudem hat Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die besondere Expertise der Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg gesehen und zusammengeführt.“

Dazu habe die Ministerin einen „Strategiekreis Bioökonomie“ mit Teilnehmern aus Forschungseinrichtungen des Landes ins Leben gerufen. Ein Gremium, an dem sich auch fünf Wisseschaftler der Universität Hohenheim beteiligten.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Thomas Hirth, Leiter des Fraunhofer Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart, erarbeitete der Strategiekreis ein Konzept für die Bioökonomie-Forschung in Baden-Württemberg. Zur Umsetzung schuf das Land ein eigenes Forschungsprogramm mit einem Volumen von 12 Millionen Euro.

 

Universität Hohenheim will sich besonders einbringen

„Prof. Dr. Hirth hat nicht nur diesen Strategiekreis zu einem besonders glücklichen Ergebnis gebracht“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Dabbert. „Vor allem hat er auch ein Netzwerk geschmiedet, in dem wir unser Engagement nur zu gerne fortsetzen wollen.“

Auch das neue Rektorat der Universität Hohenheim habe bei der Arbeit am Struktur- und Entwicklungsplan ab Frühjahr 2012 die besondere Bedeutung des Themas Bioökonomie erkannt. „Die Definition der Bioökonomie zeigt, dass die Universität Hohenheim viel für sie leisten kann“, erklärt der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Stephan Dabbert.

 

Bioökonomie bildet Dach für viele Aktivitäten aus allen Fakultäten

Grund dafür sei das besondere Zusammenspiel der Agrar-, Natur-, sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, erklärt Prof. Dr. Dabbert. „Damit haben wir drei Trümpfe in der Hand, die sich nirgendwo sonst so perfekt ergänzen.“

Die Gretchenfrage, ob die Bioökonomie unsere bisherige Erdöl-Ökonomie ersetzen könne, falle in das Ressort der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. „Letztendlich müssen sich alle Prozesse der Bioökonomie an ihrer Effizienz im Vergleich zur erdölbasierten Wirtschaft messen. Und die ist einerseits von Preisen und Kosten sowie Markt- und Wettbewerbsstrukturen abhängig. Andererseits kommt es darauf an knappen Umweltressourcen, die nicht auf Märkten gehandelt werden, einen Wert beizumessen und in die Betrachtung der Effizienz mit einzubeziehen“, so der Rektor.

Bei allen Überlegungen seien ökonomische Analysen des Systems Bioökonomie deshalb unverzichtbar. „Der Weg zur Bioökonomie setzt außerdem ein hohes Maß an Innovationen voraus. Dies umzusetzen wird ohne umfassende Beteiligung aller Disziplinen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nicht zu schaffen sein.“

Gleichzeitig setzten die Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim bei den Wurzeln des Themas Bioenergie an. Denn: „Die Bioökonomie ersetzt fossile Rohstoffe letztlich durch biologisch erzeugte Materialien, z.B. Pflanzenmaterial. Egal, ob es um Ernährung der Menschheit oder um Tierfutter geht, oder ob wir künstliche Fasern in Kleidung ersetzen wollen. Egal, ob wir nachwachsende Rohstoffe als Ersatz für synthetische Rohstoffe suchen – oder ob wir fossile Energieträger wie Erdöl, Gas und Kohle durch Brennstoffe und Treibstoffe auf Pflanzenbasis ersetzen.“

Hier hätten die Agrarwissenschaften eine umfassende Kompetenz – etwa zu Fragen, wie passende Pflanzen gezüchtet und angebaut werden können. „Gleichzeitig untersuchen sie, wie das nachhaltig und umweltfreundlich geschehen kann – mit Rücksicht auf Kulturräume, Biodiversität, Klima, Ressourcenschutz und Energieeffizienz.“ Auch mögliche Konfliktthemen, zum Beispiel wie sich ein Menschenrecht auf ausreichende, gesunde Ernährung mit dem wachsenden Bedarf an Pflanzenmasse vereinen ließe, seien längst Teil einer intensiven akademischen Diskussion an der Universität Hohenheim. In Fragen der Sicherung der Welternährung hat die Universität Hohenheim eine weltweit anerkannte Kompetenz, die gerade in Bezug auf das Thema Bioökonomie besondere Bedeutung hat und deshalb gestärkt werden soll.

Eine besondere Trumpfkarte stellten die Naturwissenschaften mit Forschungsaktivitäten von den Grundlagenprojekten der Biologen über Biotechnologen und Lebensmittelwissenschaftler bis zur Ernährungsmedizin. „Ein Beispiel für deren Relevanz sind neue Produkte und Methoden. Hier erforschen wir zum Beispiel auch den Einsatz von Mikroorganismen als Bioproduzenten von Enzymen und anderen wichtigen Industriestoffen.“

Auch die Naturwissenschaften bestächen durch ihre breite Aufstellung. „Als ein Beispiel möchte ich die Klimaforschung als besonders wichtiges und in alle Fakultäten tief vernetztes Thema nennen“, meint Prof. Dr. Dabbert.

 

Kompetenz der Universität Hohenheim strahlt aus

Das Schwerpunktthema bedeute nicht, dass sich die ganze Universität ausschließlich der Bioökonomie widmen wolle. „Allerdings wollen wir Themen mit Bezug zur Bioökonomie auch finanziell besonders fördern“, sagt Prof. Dr. Dabbert.

Zur Erläuterung zitiert er seine Rede nach seiner Wahl zum Rektor im Dezember 2011. Darin hatte er seine Vorstellungen zur wissenschaftlichen Ausrichtung der Universität mit ihrem prägenden Gebäude, dem Schloss Hohenheim, verglichen:

„Die Vielfalt der Facetten, der Denkschulen und der Fachgebiete sind für die Universität eine wertvolle Ressource. Wie im Schloss Hohenheim manche Nische erst zum gelungenen Gesamtbild beiträgt, so auch in den wissenschaftlichen Gebäuden der Universität Hohenheim. Um im Bild zu bleiben: Das Schloss besteht nicht in erster Linie aus Nischen, sondern aus klaren, großzügig angelegten räumlichen Strukturen mit breiten und guten Verbindungen zwischen einzelnen Bereichen. Diese Elemente sind – bei aller Sympathie, die ich auch für die Nischen hege – die zentralen Elemente für die Nutzbarkeit unseres Schlosses. Eine kleine Universität wie die Universität Hohenheim mit einem begrenzten Fächerspektrum muss eine deutlich sichtbare Botschaft nach außen senden für welche Themen sie steht. Gleichzeitig kommt der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Bereichen ein größeres Gewicht zu, als dies an sehr großen, wesentlich heterogeneren Universitäten der Fall ist.“

Schon jetzt werde die Expertise der Universität Hohenheim zum Thema Bioökonomie auch bundesweit wahrgenommen: So ernannte der nationale Bioökonomierat die Hohenheimer Professorin Regina Birner als Mitglied, um die Bundesregierung bei der Einführung der Bioökonomie zu beraten.

 

Forschung erhält zusätzliches Gewicht

Generell bricht der neue Struktur- und Entwicklungsplan eine Lanze für die Forschung. „In den letzten Jahren gab es eine hohe gesellschaftliche Erwartung die Lehre auszubauen“, berichtet Prof. Dr. Dabbert. Dem sei die Universität mit vielen neuen Studienangeboten nachgekommen. „Jetzt ist es an der Zeit bei der Forschung nachzulegen.“

Seit diesem Sommer sei eine eigene Kommission dabei, die wissenschaftlichen Zentren neu zu strukturieren. Ziel sei eine neue Struktur, die die Schwerpunkte der Universität besser abbilde, so der Rektor und sein Prorektor für Forschung, Prof. Dr. Jochen Weiss.

Auch die einzelnen Professoren will der Strategieplan stärker motivieren. Dazu gehört auch eine Forschungsdatenbank, die einheitliche Kriterien für Forschungsleistungen definiert. So soll individuelle Leistung sichtbarer – und honorierbarer werden.

Die Arbeitsbedingungen des sogenannten Mittelbaus – sprich: den Nachwuchsforschenden (Doktoranden und Postdocs) – hat das neue Rektorat bereits im Sommer verbessert: Eine eigene Mittelbaurichtlinie bestimmt als Regelfall, dass Arbeitsverträge für wissenschaftliches Personal auf Landesstellen im Minimum über drei Jahre laufen und nicht kürzer als ein Jahr befristet werden sollen.

Im Senat wurde diese Mittelbau-Richtlinie einstimmig befürwortet. Unter den Universitäten in Baden-Württemberg nimmt die Universität Hohenheim damit eine Vorreiterrolle ein.

 

Lehre setzt auf Reformprojekte

In der Lehre will die Universität Hohenheim reform- und experimentierfreudig bleiben, erklären der Rektor und der Prorektor für Lehre, Prof. Dr. Michael Kruse. Dazu gehören Flagschiffe wie „Humboldt reloaded“, ein Reformprojekt, in dem Studierende bereits im Grundstudium des Bachelors ungeklärte Forschungsfragen bearbeiten. Für den kommenden Herbst plant das Strategiepapier einen eigenen Master-Studiengang Bioökonomie.

„Master-Studiengänge sind für uns generell sehr wichtig, weil wir hier den wissenschaftlichen Nachwuchs finden“, erklärt Prof. Dr. Dabbert. Schon jetzt biete die Universität deshalb mehr Master-Studienplätze an, als sie gesetzlich verpflichtet sei.

Ein Teil dieser Überlast soll nun durch das Ausbauprogramm „Master 2016“ des Landes nachträglich gefördert werden. Zusätzlich baut die Universität derzeit weitere 100 Master-Studienplätze auf. „An der Obergrenze von maximal 10.000 Studierenden wollen wir nach derzeitigem Stand jedoch festhalten.“

 

Internationales Netzwerk unterstützt Forschungsschwerpunkt Bioökonomie

Einen weiteren Erfolg im Bereich Bioökonomie konnte die Universität Hohenheim bereits im internationalen Sektor verbuchen, berichtet der Rektor zusammen mit dem Prorektor für Internationalisierung, Prof. Dr. Andreas Pyka. Im Januar 2013 erhielt die Universität Hohenheim zusammen mit vier weiteren Partnern den Zuschlag für ein internationales Netzwerk Bioökonomie.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt das Netzwerk vier Jahre lang mit knapp 900.000 Euro. Das Fördergeld ermöglicht fast 80 Stipendien für Studien- und Forschungsaufenthalte oder Dozenturen zum Thema Bioökonomie an anderen Partner-Universitäten. Regelmäßige wissenschaftliche Konferenzen sollen das Stipendienprogramm ergänzen.

 

Struktur- und Entwicklungsplan besitzt einstimmigen Rückhalt aller Gremien

Mit seinem Struktur- und Entwicklungsplan als Strategiepapier scheint das neue Rektorat einen Nerv der Zeit getroffen zu haben. „Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat unseren Struktur- und Entwicklungsplan gerade ohne Auflage genehmigt“, freut sich der Rektor.

Auch innerhalb der Universität sei der Plan breit akzeptiert worden. „Der Senat hat das Papier ausführlich diskutiert und einstimmig befürwortet. Der Universitätsrat hat es genauso einstimmig verabschiedet. Das heißt, wir haben die Zustimmung von den Vertretern der Professoren, des Mittelbaus, der Studierenden, der sogenannten „Sonstigen Beschäftigten“ und der externen Experten im Universitätsrat – breiter kann eine Zustimmung nicht ausfallen.“

 

Stimmen aus den Dekanaten und dem Universitätsrat

„Wir unterstützen die Initiative Bioökonomie und sehen sie als erfolgversprechende Ergänzung des breiten Themenspektrums“, so Prof. Dr. Dirk Hachmeister, Dekan der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. „Viele Fachgebiete der Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie der Kommunikationswissenschaft werden ihren Beitrag liefern.“ Außerdem steht für die Fakultät eine stärkere Internationalisierung in Lehre und Forschung ganz oben. „Diesem Ziel haben wir uns im Struktur- und Entwicklungsplan verpflichtet.“

Die Fakultät Agrarwissenschaften kann sich mit Bioökonomie als zentrales Thema einer gesamtuniversitären Neuausrichtung der Universität Hohenheim sehr gut identifizieren. "Hier können wir in vielen Bereichen einen Beitrag leisten. Hierzu gehören Globale Ernährungssicherung, Klimawandel und Ressourcenknappheit, Bioenergie und biobasierte Wertschöpfungsnetze sowie die Genomische Diversität in der Landwirtschaft. Zudem können wir unsere fakultätsübergreifende Zusammenarbeit weiter ausbauen." betonte Prof. Martina Brockmeier, Dekanin der Fakultät Agrarwissenschaften. "Als grundlagenorientierten Schwerpunkt haben wir das Thema "Microbiota bei Nutztieren" gewählt, bei dem wir derzeit besondere Potentiale für Weiterentwicklungen im Rahmen dieses SEP sehen."

„Die Fakultät Naturwissenschaften begrüßt die im Struktur- und Entwicklungsplan dargestellten Pläne und Initiativen zur Stärkung der Forschungsaktivitäten“, ergänzt auch der Dekan der Fakultät Naturwissenschaften, Prof. Dr. Heinz Breer. „Wir sehen insbesondere die Maßnahmen zur fakultätsübergreifenden Bündelung wissenschaftlicher Kompetenzen in Bezug auf eine wissensbasierte und nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen unter dem Dach „Bioökonomie“ als eine Chance zur weiteren Profilbildung der Universität. Die Fakultät Naturwissenschaften wird dabei vor allem für den Bereich „Lebensmittelverarbeitung, Ernährung und Gesundheit“ einen zentralen Beitrag leisten können. Darüber hinaus wurde zur Stärkung der eher grundlagenorientierten Fachgebiete, ein neuer gemeinsamer Forschungsschwerpunkt „Biomolekulare Prozesse“ im SEP verankert.“

„Die Universität Hohenheim setzt mit diesem Struktur- und Entwicklungsplan und dem Thema Bioökonomie ein deutliches Zeichen“, betont die Vorsitzende des Universitätsrates, Marion Johannsen. „Dabei kommen ihr die hervorragenden Leistungen und das beispielhafte Engagement der Professoren und ihrer Teams in allen drei Fakultäten zu Gute. Der Universitätsrat gratuliert und wird diesen Neuaufbruch konstruktiv und positiv begleiten.“

Text: Klebs


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